Digitale Filmreihe: Zukunft(s)gestalten – Mensch.Stadt.Moderne

Filmabend „The Human Scale"

Ein Bericht von Louisa Osburg (BEI)

Am 02.12.2020 begrüßte das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein zusammen mit dem Transformativen Denk-und Machwerk aus Flensburg rund 30 interessierte Teilnehmer*innen zum zweiten Filmabend der digitalen Filmreihe „Zukunft(s)gestalten – Mensch.Stadt.Moderne“.

Vor 200 Jahren lebten 1 Milliarde Menschen auf der Welt, heute sind es 7 Milliarden und am Ende des Jahrhunderts wird die Zahl bis zu 10 Milliarden aufsteigen. Es wird geschätzt, dass bis dahin 80% der Bevölkerung in Städten wohnen werden. Wie wird das Leben in der Stadt in 100 Jahren aussehen?

Der gezeigte Dokumentarfilm „The Human Scale“ von Andreas Dalsgaard veranschaulichte mit Eindrücken aus New York (USA), Dhaka (Bangladesch), Melbourne (Australien) und Christchurch (Neuseeland) städtische Entwicklungen im globalen Norden sowie im globalen Süden und zeigt anhand fehlgeleiteter Beispiele, was die Menschen daraus lernen sollten. Eine wichtige Anleitung hierzu gab der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl, der sich seit Jahrzehnten dafür einsetzt, die Lebensqualität in Städten zu erhöhen, indem er die Menschen (wieder) in den Mittelpunkt der Stadtplanung rückt.

Was ist die Grundlage für Gesundheit? Ob in der Chirurgie oder in der Krankenpflege – die Antwort wäre mehr oder weniger dieselbe: frische Luft, Bewegung, soziale Kontakte. Das natürliche Vitamin liegt also vor der Haustür. Offene Straßen sind zum Wohnraum geworden. Statt in ihren eigenen vier Wänden zu verharren, flanieren die Menschen gerne durch Cafés und fühlen sich in Gesellschaft wohl. Doch heute wachsen Städte rasant, nehmen immer öfter die Gestalt eines großen Ballungsgebiets für Straßenverkehr an und werden pausenlos durch neue Anbindungsmöglichkeiten ergänzt. Neben quietschenden Autoreifen und qualmendem Auspuff verlieren selbst die begehrtesten Ruhezonen der Stadt ihren einst so anziehenden Charme.

Wieso also wird alles verbaut? Welcher Beweggrund mag dahinterstecken? Eine Antwort auf diese Frage könnte das im Film gezeigte Beispiel bieten: Gibt man jemandem Legosteine in die Hand, beginnt er unmittelbar, damit zu spielen. Er baut Dinge aus der Helikopterperspektive von oben herab auf, weil er kann. Die Frage, ob er sie wirklich braucht, bleibt ungeachtet und genau hier liegt die Gefahr. Zur Behandlung dieses Phänomens bzw. zum Bewusstmachen des eigentlichen Kerns der Stadtplanung, bot der Filmausschnitt interessante Ansätze. In einem Lego-Workshop erlernten Teilnehmer*innen anhand von drei Fragestellungen, das Ziel der Stadtplanung wahrzunehmen und in ihrem Bauplan nicht außer Acht zu lassen. Hierfür sollten sie im ersten Schritt ihre eigene Person erschaffen. Im nächsten Schritt fragten sie sich, was sie gerne in der Stadt machen würden und erst zum Schluss eröffnete sich der Zugang zu den bunten Legosteinen für die Realisierung eines Modells ihres durchdachten Ortes, den die Teilnehmer*innen gerne in der Innenstadt sehen würden. Wofür ist die Umgebung und wofür arbeiten wir? Die Antwort von Städteplaner*innen sollte demnach immer der Mensch sein.

Im Anschluss an den Film lud Marion Kleine-Onnebrink, partizipativ arbeitende Raumstrategin und Landschaftsarchitektin, zu einer Gesprächsrunde ein und verdeutlichte die intensive Verstrickung der Stadt in den Nachhaltigkeitsgedanken der Agenda 2030. Demnach deckt das Thema nicht nur das 11.Nachhaltigkeitsziel (Städte und Kommunen) ab, sondern bezieht sich ebenfalls auf sieben weitere Ziele: Gesundheit und Wohlergehen (3.), Industrie, Innovation und Infrastruktur (9.), Weniger Ungleichheiten (10.), Nachhaltige/r Konsum und Produktion (12.), Maßnahmen zum Klimaschutz (13.), Leben unter Wasser (14.) und Leben an Land (15.). Umso wichtiger also, sich dieser Thematik verstärkt anzunehmen und sich im Hier und Jetzt seinem Wohnort zu widmen.

In diesem Sinne teilten sich die Gäste der Veranstaltung in Kleingruppen nach Städten auf, um sich im Speziellen als Bürger*innen über entstandene Unzufriedenheit in ihrem Wohnort auszutauschen und zusammen zu überlegen, mit welchen Ideen man eine Änderung bewirken könnte.

In allen Gruppen wurden Ortsbeispiele eingebracht, die Potenzial für gesellschaftliche Begegnungen besitzen, jedoch durch parkende Autos oder gar durch entstandene Parkplätze aus dieser gewünschten Rolle verschwinden. Einst soziale Orte wurden zu stumpfen Flächen umfunktioniert. Dabei werden, egal ob in einem kleinen Dorf Kiels oder in einer 8-Millionen-Einwohnerstadt wie Bogotá (Kolumbien), grüne Erholungsoasen und interaktives Beisammensein doch so stark favorisiert und demnach von vielen vermisst. Eine bereits mancherorts eingesetzte Strategie, die auf dieses Defizit an Lebensqualität aufmerksam machen soll, ist der internationale Park(ing) Day am dritten Septemberfreitag jeden Jahres. An diesem Tag erobern sich Bürger*innen die Straße bzw. die Plätze durch bewusstes Belegen mit Picknickdecken und Fahrrädern zurück. Auch der Hintergedanke von Mahnwachen wird vielerorts wie zum Beispiel aktuell in Flensburg am Bahnhofswald als Methode eingesetzt. Die seit Anfang Oktober andauernde Baumbesetzung bremst ein Bauprojekt, bei dem Bäume für ein Hotel gefällt werden sollen. Ein offizielles Beispiel bietet die Recht auf Stadt-Bewegung, die die Politik sowie die Verwaltung noch stärker auf das Problem aufmerksam machen möchte. Auch Wettbewerbe oder Projekte wie das „Real Labor“ in der Innenstadt von Kiel sollen zum Nachdenken anregen, wie die Stadt in Zukunft aussehen könnte.

 

„I can’t force anybody to do anything or be anyone – but we can make invitations. We can invite people to walk. We can invite people to sit, to stay. Invitations to a better everyday. A better way to cross the streets or to wait for the bus. A better way to live your life. That’s all we can do.“ (abschließendes Filmzitat).

Wir können niemanden dazu drängen, etwas zu tun oder jemand zu sein – aber wir können Einladungen machen. Wir können unsere Stadt einladend gestalten, sie für den Menschen ausrichten und uns so unseren Wohnraum sowie das bürgerliche Miteinander zurückholen.

 

Wir danken Marion Kleine-Onnebrink und allen interessierten Gästen für ihre wertvollen Beiträge und den so interessanten Austausch. Im nächsten Filmabend unserer digitalen Filmreihe geht es vorbildlich weg von Autos hin zum Neudenken der Mobilität und der beispielhaften Fahrradkultur der Niederlande. Mit dem Film „Why We Cycle“ tauchen wir am 09.12.2020 in das Kapitel der fahrradfreundlichen Städte ein.

 

 

(Bildquelle oben: Jo Wiggijo, Bildquelle unten: Thomas Müller)

Veranstalter:
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Transformatives Denk-und Machwerk e.V.

Die Veranstaltung war Teil des SDG-Jahresthemenprogrammes „Die Sustainable Development Goals (SDG) in Schleswig-Holstein – Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand“ des BEI, in Kooperation mit dem Transformatives Denk-und Machwerk e.V., gefördert durch Engagement Global mit finanzieller Unterstützung des BMZ, BINGO! Die Umweltlotterie, den Katholischen Fond sowie den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED).

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