Zukunftsfähiges Wirtschaften
Bio, regional und fair zusammen denken!
Landesweite Fachtagung „Faire Kommunen in Schleswig-Holstein“
Am Mittwoch, den 6. November 2019, fand in Kaltenkirchen die vom Verein Eine Welt im Blick e.V. in Zusammenarbeit mit der Fairtrade-Town Steuerungsgruppe Kaltenkirchen organisierte Fachtagung „Faire Kommune in Schleswig-Holstein“ statt. Hanno Krause, der Bürgermeister der Stadt Kaltenkirchen begrüßte im Bürgerhaus neben bürgermeisterlichen Amtskolleg*innen und engagierten Verwaltungsangestellten auch zahlreiche Akteure der Zivilgesellschaft, unter ihnen Mitarbeiter*innen von Weltläden. Insgesamt fast 50 Vertreter*innen von 16 „Fairtrade-Towns“ und solchen, die es werden wollen, diskutierten anschließend einen Tag lang angeregt verschiedene Aspekte, wie kommunales Engagement zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen kann.
Ein Schwerpunkt der bereits zum sechsten Male ausgetragenen Fachtagung war die Frage, wie die Bereiche „fair“, „bio“ und „regional“ beim Anbau und der Herstellung von Lebensmitteln im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zusammen gedacht werden können. Denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Die verschiedenen Organisationen, die sich in unterschiedlichen Bereichen engagieren, einen die gleichen Ziele: Landwirtinnen und Landwirten ein ausreichendes, existenzsicherndes Einkommen sichern, die regionale Wirtschaft stärken sowie Unternehmen, die umwelt- und tiergerecht produzieren. Im Globalen Süden wie auch im Globalen Norden. Die Konsument*innen stehen dabei aber oft vor der Wahl der Gewichtung ihrer Kaufmotivation: Regionalität stärken versus Einkommens- und Entwicklungsmöglichkeiten fördern. Das ist beim Honig wahrlich nicht einfach. Letztendlich waren sich die Teilnehmer*innen darin einig, regionale Produkte gegenüber fair produzierten zu bevorzugen. Kaffee, Tee, Orangensaft, Reis, Kakao und andere „exotischen“ Produkten sollten ihrerseits möglichst aus Fairem Handel kommen.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage der Unternehmensverantwortung. Dazu gehört die Achtung von Menschenrechten und die Vermeidung von Umweltzerstörung – auch im Ausland. Gerade Kommunen haben über ihre öffentliche Beschaffung einen großen Einfluss auf die Arbeits- und Umweltbedingungen, unter denen die von ihnen genutzten Produkte hergestellt werden. Da Unternehmen in der überwiegenden Mehrheit ihrer globalen Verantwortung aber nicht freiwillig nachkommen, braucht es ein Lieferkettengesetz. Ein Gesetz, nach dem Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, haftbar gemacht werden können. Um dies zu erreichen, startete im Herbst die bundesweite Kampagne „Initiative Lieferkettengesetz“, die auf der Tagung ausführlich präsentiert und diskutiert wurde. (Nähere Infos hierzu: www.lieferkettengesetz.de).
In einem dritten Workshop erfuhren die Teilnehmer*innen viel Interessantes, wie auf lokaler Ebene dem immensen Verbrauch von Einweg-Getränkebechern begegnet werden kann. Und ein Handeln tut Not: Alle 10 Minuten landen allein in Deutschland 50.000 Coffee-to-go-Becher im Müll. Unter dem Motto „Müllfrei am Strand genießen“ hat so beispielsweise Fehmarn mit dem Aufbau eines Mehrwegsystems für ökologisch nachhaltiges Geschirr in der strandnahen Gastronomie ein inselweites Pilotprojekt gestartet.
Um Cafés, Restaurants und den Handel in der eigenen Stadt überzeugen zu können, fair gehandelte Produkte einzuführen, gab es in einem weiteren Workshop viele Tipps im Umgang mit dieser eher schwierigen Zielgruppe im Rahmen des Anerkennungsprozesses zur Fairtrade-Town . Doch die Mühen lohnen sich: sind sie erst einmal überzeugt, bleiben die meisten Gastronomiebetrieb auch dabei.
Die Idee der „Fairtrade-Towns“ wurde 2009 von TransFair e.V., der Organisation hinter dem bekannten Fairtrade Siegel nach Deutschland gebracht, um möglichst viele Menschen in einer Stadt oder Gemeinde zusammenzubringen, sich für den Fairen Handel auszusprechen. Nach der Erfüllung von mehreren Kriterien erhalten die Akteure vor Ort eine Urkunde – deutschlandweit sind es mittlerweile mehr als 650 ausgezeichnete Städte.
Dass es auch immer mehr Fairtrade-Towns in Schleswig-Holstein gibt, verdeutlicht, wie sehr der Faire Handel diskutiert wird, um auch den Menschen in sogenannten Entwicklungsländern eine Perspektive zu ermöglichen. Viele engagierte Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner füllen dieses Prinzip der globalen Gerechtigkeit vor Ort mit Leben. In Schleswig-Holstein wurde Lübeck 2011 als erste Stadt ausgezeichnet. Mittlerweile sind 24 Städte und Kommunen „Fairtrade-Towns“, sechs weitere haben sich auf den Weg gemacht. Der Einsatz für gerechte Löhne und langfristige, partnerschaftliche Handelsbeziehungen findet sich dabei an ganz unterschiedlichen Orten in Schleswig-Holstein: Von Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern über Städten wie Heide und Lübeck bis hin zur Landeshauptstadt Kiel sowie der weltweit ersten ausgezeichneten Fairtrade-Hallig Hooge. Auch Schulen, Fachhochschulen und Universitäten können sich für ihr Fairhandels-Engagement entsprechend auszeichnen lassen.
Die Tagung ist Teil des bundesweiten Eine Welt-Promotor*innen Programms, welches in Schleswig-Holstein vom Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI) getragen wird. Gefördert wurde sie von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem schleswig-holsteinischen Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, von Fairtrade Deutschland sowie der Gerd Grot-Grell Stiftung.
Eine Dokumentation über die Tagung wird ab Mitte Dezember als pdf zur Verfügung gestellt. Gegen Erstattung der Versandkosten kann sie beim Eine Welt im Blick e.V. auch als Druckvariante bestellt werden.
Weitere Informationen und Kontakt:
Eine Welt im Blick e.V., Speichergasse 6, 25746 Heide
Marco Klemmt (Fachpromotor für zukunftsfähiges Wirtschaften), marco.klemmt@eine-welt-im-blick.de, Tel.: 0481-78777461, www.bei-sh.org/zukunftsfaehiges-wirtschaften