Kommunalpolitisches Gemeindeseminar

Gemeindeseminar „Nachhaltigkeit messbar machen – SDG Indikatoren für kommunales Handeln

Ein Bericht von Louisa Osburg (BEI)

Am 27.05.2021 lud das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein zusammen mit der Nordseeakademie Leck zu einem Online-Gemeindeseminar ein, das der Frage nachging, wie sich kommunale Nachhaltigkeit messen und bewerten lässt. Begrüßt wurden hierfür Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis sowie 22 Teilnehmende aus der (Kommunal-)Politik, Stadt-und Gemeindeverwaltung und Zivilgesellschaft.

Nach einem kurzen Kennenlernen gab Dr. Jasmin Jossin (Deutsches Institut für Urbanistik Difu) einen Impuls zu lokalen Nachhaltigkeitsindikatoren, deren Schwächen bzw. Zielkonflikte sowie globalen Schnittmengen und stellte anschließend den SDG-Indikatorenkatalog des Difu vor. Um die Verwendung von Indikatoren richtig zu greifen, ist es wichtig, sie in ihrer Gestalt und Funktion zu verstehen. Indikatoren sind Anzeiger, die Information über das Funktionieren eines Zwecks liefern und auch dabei helfen können, zu verstehen, warum Veränderungen stattfinden. Sie werden im Rahmen von Evaluationen analysiert. Die überlegten Strategien oder Maßnahmen in der Strategie passt man der Analyse an, kann aber gleichermaßen auch die Indikatoren neugestalten. Es handelt sich um einen Kreislauf, bei dem es sich bewährt hat, jemanden aus dem Statistikamt als Unterstützung zu integrieren. Eine hohe Messbarkeit muss bei der Wahl der Indikatoren als wichtiges Qualitätskriterium festgelegt werden. Die Interpretation sollte von Personen getätigt werden, die den Kontext kennen. Jedoch stellt die Arbeit mit Indikatoren keinen Fachprozess dar, sondern soll Beteiligung schaffen. Mit den vorhandenen Indikatoren kann man gemeinsame Strategien ableiten und dabei auch mit qualitativen Beschreibungen sowie Beispielen arbeiten, da sich zudem nicht alles, was wichtig ist, in Zahlen fassen lässt.

Für den SDG-Indikatorenkatalog unterliefen die Unterziele der SDGs der Agenda 2030 mehreren Relevanz-Prüfungen (u.a. Relevanz für deutsche Ziele, Relevanz für deutsche Kommunen). Die potenziellen, stets aus zentralverfügbaren Quellen entzogenen Indikatoren werden nach Kriterien (z.B. Validität, Datenquelle, Datenverfügbarkeit, Funktion) eingegrenzt. Anhand dieser Mindestkriterien möchte man überprüfen, ob die Indikatoren den Qualitätsanforderungen gerecht werden. Es wird also eine Auswahl an Unterzielen und Indikatoren getroffen, die allerdings stets weiterausgearbeitet werden kann, da die nachhaltige Entwicklung ein Prozess ist, der sich immer wieder verändert und andere Schwerpunkte legt.

Der Katalog ist als Baukastenprinzip zu verstehen. Er ist als Hilfsmittel angedacht, um die landesweite Suche nach Indikatoren zu vereinfachen. Die gesetzten Indikatoren können für den Anfang ausreichen, um eine Überforderung zu vermeiden. Im weiteren Prozess kann und sollte man das Ganze in einer individuelleren Form gestalten. Wichtig ist, dass die fachlichen Kompetenzen zusammengebracht werden und ein Gesamtbild entstehen kann. Entscheidungsträger wie Politiker*innen sollten direkt involviert sein und somit nachvollziehen können, worum es geht und welche Ziele umgesetzt werden. Entscheidend sind hier besonders das Bewusstsein sowie die innere Haltung der Person. Zudem erfordert der Prozess einen langen Atem. Eine geringfügige Verbesserung heißt nicht, dass man mit dem Absetzen der Maßnahmen die SDGs erreichen kann. Das eigene Definieren von Zielwerten ist sehr wichtig. Diese Zielwerte sollten gegen die Ergebnisse gestellt werden, damit man sieht, wie weit man von der Erreichung des Ziels entfernt ist. Es ist ein Prozess, der kontinuierlich weiterfortlaufen muss. Diesen Eifer in einen Wettbewerb zu verwandeln, wäre jedoch der falsche Ansatz; jede Stadt und jeder Prozess ist anders und sollte demnach mit konzentriertem Fokus auf die eigenen Bedürfnisse behandelt werden.

Um das Thema in der Praxis greifbarer zu machen, erzählte Uta Rautenstrauch (Stadt Neumünster) anhand des Beispiels Neumünster, wie das integrierte Stadtentwicklungskonzept die Agenda 2030 in kommunales Handeln implementiert, welche Rolle dabei die Nachhaltigkeitsindikatoren zur Kontrolle sowie Messung von Erfolgen bzw. Misserfolgen spielen und welche Konfliktfelder bei der Anwendung auftreten können.

Um die Zielerreichung voranzubringen, stellen gewählte Schlüsselmaßnahmen eine besondere Rolle dar. Hierfür gab es in Neumünster einen Strategieprozess, bei dem Ziele und Maßnahmen festgelegt wurden. Im Folgenden waren politische Beschlüsse entscheidend, um systematisch arbeiten zu können. Die Schlüsselmaßnahmen wurden anschließend in einem Workshop erarbeitet. Eine Datenbank (Software: Board) informiert darüber, wie viele Schlüsselmaßnahmen in Bearbeitung sind und listet dabei strukturiert Informationen auf (wie z.B. Name, Ziel, Verantwortung, Handlungsrahmen, Risiko, Status). Die Zahl der Schlüsselmaßnahmen ändert sich stetig.

Ein jährlicher Stadtentwicklungsbericht aus Beiträgen der Fachdienste gibt Einblicke in den Umsetzungsstand. Zu jeder Schlüsselmaßnahme wird einmal im Jahr ein Statusbericht erstellt, in dem die Indikatoren aufgelistet, die Zielzuordnung sowie Entwicklung erkennbar gemacht und weitere Schritte gesetzt werden. Durch den regelmäßigen Bericht werden Erfolge gemessen, die als nächsten Schritt Handeln erfordern. Es ist ein kontinuierliches Prozessmanagement, bei dem es so gut wie keine Parallelstrukturen mehr gibt. Hierfür ist die interne Kommunikation und Absprache sehr wichtig. Für den Vergleich eignet sich die Nutzung identischer Quellen, um in der Arbeit selbe Standards voraussetzen zu können.

Man sollte sich bewusstmachen, dass alles, was ein Konflikt oder eine Herausforderung darstellt, auch eine Chance sein kann. Fehler können in positiver Form als Lerngrundlage nützen.

Hierbei sieht eine große Gruppe bekanntlich mehr. Die Vision einer Bürgerbeteiligung wird im Stadtentwicklungskonzept Neumünster schon lange gehegt, steht jedoch vor begrenzten Ressourcen. Für einen Beteiligungsprozess braucht man Zeit und daher auch das nötige Personal. In den Fachkonzepten gibt es bereits verschiedene Beteiligungsverfahren.

Durch den seit 2015 bestehenden, integrativen Ansatz hat sich das Miteinander sehr verstärkt. Leider sind im Moment die starken Eingrenzungen der Pandemie zu spüren. Der beste Austausch entsteht bekanntlich in persönlichen und lockeren Nebengesprächen. Der integrative Ansatz braucht die Möglichkeit, aufeinandertreffen zu dürfen.

Durch die Ansiedlung der Stabstelle beim Oberbürgermeister sollte deutlich werden, dass es sich um eine ressourcenübergreifende Aufgabe für alle handelt. Die räumlichen und thematischen Ansätze sollten gleichbehandelt werden. Die Zuordnung zum Oberbürgermeister hat dabei geholfen, Kritiker*innen weniger Spielraum zu ermöglichen.  

Welche Bedeutung haben die Impulse für die eigene Praxis? Was wird bereits umgesetzt? Welche weiteren Handlungsmöglichkeiten sind möglich? Diesen Fragen gingen die Teilnehmenden in Kleingruppen auf den Grund und kamen zu folgenden Ergebnissen:

 

Wir danken unseren Referentinnen für die anregenden Impulse und allen Teilnehmenden für ihre aktive Beteiligung sowie interessanten Gesprächsbeiträge.

Veranstalter:
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Nordseeakademie Leck

Die Veranstaltung war Teil des SDG-Jahresthemenprogrammes „Die Sustainable Development Goals (SDG) in Schleswig-Holstein – Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand“ des BEI, in Kooperation mit der Nordseeakademie Leck, gefördert durch Engagement Global mit finanzieller Unterstützung des BMZ, BINGO! Die Umweltlotterie sowie den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED).

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