Bericht:

Theaterstück: Vom Reisen in ehemalige Kolonien - Eine Positionsbestimmung

Foto: Bühnenbild der Flensburger Theaterwerkstatt Pilkentafel. © 2018 BEI-SH // Ulrike Neu

„Warum trägt man die Kleider seiner Mörder?“, fragten sich die Künstler der Theaterwerkstatt Pilkentafel aus Flensburg, als sie über die Vertreibung der Herero in Namibia und über den Gedenktag des Genozids recherchierten.

Der Theaterabend, den das BEI Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Studentenwerk Schleswig-Holstein organisiert hat, war mit 35 Besucher*innen lange nicht ausverkauft. „Das liegt am schwierigen Thema“ so die Erfahrungen der Flensburger. Die Kolonialzeit ist grundsätzlich ein Thema, was für Viele weit zurückliegt und für die Gegenwart keine Relevanz mehr hat. Das dem nicht so ist, wurde in der didaktisch und methodisch abwechslungsreichen Aufführung sehr deutlich.

Europäer fuhren mit Schiffen los, um neues Land in Besitz zu nehmen. Sie bauten z.B. Zuckerrohr und kauften sich die Arbeitskräfte dafür auf dem afrikanischen Sklavenmarkt. Der Handel und die Veredlung der Rohstoffe brachte Wohlstand für Europa. Und für die Länder des Rohstoffanbaus und die Länder des Sklavenhandels? Die vermeintliche Zivilisation, die von den Europäern mitgebracht wurde, erniedrigte Menschen mit schwarzer Hautfarbe, stellte ihre Kultur als minderwertig da und raubte ihnen die Sprachen- und Ausdrucksvielfalt. Englisch, Französisch und Spanisch sind weltweit immer noch die herrschenden Amtssprachen. Die anwesenden Vereinsmitglieder von Sisters – Frauen für Afrika e.V. berichteten in der anschließenden Diskussion, dass sie in ihrer Schulzeit in Togo mehr über europäische Geschichte gelernt haben, als über togoische Geschichte. Was macht das mit der eigenen Identität? Wie fühlt sich das an, wenn man als Kind lernt, dass in der „richtigen“ Welt Äpfel gegessen werden, während man in der eigenen Welt Mangos isst?

Die Mitglieder der Initiative „Kiel Postkolonial“ berichteten von dem Konzept der „postcolial studies“ und ihrer Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe: Die bestehende eurozentristische Sichtweise auf die Welt und die damit verbundenen Werte führt dazu, dass andere Werte und Lebenswelten keine Wertigkeit haben. Dabei möchte die Mehrheit der Europäer eigentlich, dass arme Länder sich entwickeln können. Was versteht man unter Entwicklung? Warum sind die Länder arm? Was passiert mit ihren Rohstoffen? Wieso gibt es keine Weiterverarbeitung oder Rohstoffveredlung dort? Warum wollen wir immerzu helfen, statt Selbständigkeit zu zulassen?

Die willkürliche Aufteilung Afrikas während der Kolonialzeit wurde eindrucksvoll dargestellt, indem eine Afrika-Silhouette mit einer Motorsäge in Stücke geteilt wurde. Dieses Eingreifen und Völkermorden wirken bis heute nach. Die meisten kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem afrikanischen Kontinent sind Grenz- oder Rohstoffkonflikte. Was hat das mit uns zu tun? Was machen wir mit dieser Erkenntnis? Warum feiern die Hererofrauen in Namibia Gedenktage mit europäischen Kolonialkleidern?

„Wir sollten unser Denken und Handeln in vielerlei Hinsicht und vor allem in den aktuellen Fragen zu Fluchtgründen und Abschottung Europas immer wieder reflektieren und aufhören aus dem Kolonialismus einen blinden Fleck zu machen.“ so ein Wortbeitrag in der Diskussion.

Antworten und Lösungen zu diesen komplexen Zusammenhängen kann man nicht allein und nicht an einem Abend finden. Aber diese Aufführung der Theaterwerkstatt ist hervorragend geeignet Fragen aufzuzeigen, Positionen zu bestimmen und Diskussionen anzuregen. Eigentlich ein „Muss“ für jeden Schulunterricht.

Weitere Informationen und Kontakt:
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Ulrike Neu (Promotorin für Projektentwicklung und Organisationsberatung), ulrike.neu@bei-sh.org, Tel.: 0431-67939900, www.bei-sh.org

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